Rauminstallationen (Ideen)   Cut Outs

Rangstreit der Tiere, 2020

Wettbewerbsbeitrag

INTERVENTION IM TREPPENHAUS DER JEANNE-BAREZ-SCHULE, BERLIN PANKOW

22 Spiegel werden an beide Seitenwände des Treppenhauses angebracht. Die Umrisse der Spiegel bilden die Nasen von 12 verschiedenen Tieren nach. Diese sind die Protagonisten aus Gotthold Ephraim Lessings Fabel „Der Rangstreit der Tiere“. Die Fabel selber steht als ein an die Wand geschriebener Text im Foyer.

Wirkung im Raum

Die Tiernasen erscheinen unabhängig von der Größe des dazugehörigen Tieres. Die Formen sollen gleichgewichtig zueinander stehen. Sie bleiben unbeschriftet und geben den Betrachter*innen ein Rätsel auf. Die Umrisslinien der Nasen lassen auch andere Interpretationen zu. Sie werden nach rein ästhetischen Aspekten angeordnet. Es werden jeweils 12 (10) Formen an jeweils einer Seitenwand rasterförmig aufgehängt (siehe Grafiken). Die Reihenfolge der Tiernasen auf den sich gegenüberliegenden Wänden ist unterschiedlich. Somit können sich nicht nur die Kinder in den Spiegeln wiederfinden, sondern es spiegeln sich unterschiedliche Nasen miteinander, bilden zusammen Unendlichkeitsräume, weiten das Treppenhaus optisch und spiegeln Fragmente der skulpturalen roten Treppe wieder. Da die Spiegel keine eigene Farbe besitzen, wird der Wunsch der Architekten aufgegriffen, dass die Kinder (neben der roten Treppe) die Farbe ins Haus bringen. Die Spiegel werfen Lichtreflexe in die schattigen Bereiche des Treppenhauses und erhellen ihn zusätzlich.

Herleitung / Lessings Fabel

Ein wichtiger Leitfaden innerhalb der Reformbewegung der Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen in der Aufklärungszeit war das „Basedow ́sche Elementarwerk“. Chodowiecki, Ehemann der Namensgeberin der Jeanne-Barez-Schule hatte die Illustrationen für dieses Buch gemacht. Hier galt „Nützliches Vergnügen“ als die neue Bildungsformel. Das Lesevergnügen sollte auch immer eine moralische Komponente enthalten. Das Kreuzen von Philosophie und Moral eines erwachenden Bürgertums zeigt sich ebenso in den Fabeln Lessings, die zwar nicht explizit als Jugendliteratur gedacht waren, jedoch für „Jedermann“ verständlich sein sollten. Er orientierte sich an Äsop, jedoch unter Auslassung des erklärenden Schlusssatzes. Vielmehr regen Lessings Fabeln noch heute zum Selberdenken an. Seine tierischen Protagonisten transportieren keine versteckte Moral, sondern kleiden Moral offensichtlich in einfach verständliche Motive. Lessing stand zu der Familie Barez/Chodowiecki in Kontakt: Chodowiecki ist für ihn als Illustrator tätig gewesen.

Der Rangstreit der Tiere

In dem „Rangstreit der Tiere“ wird für mich der Anspruch auf Selbstbestimmung und Abschied von festgefahrenen Machtstrukturen besonders deutlich. Auch die nachträgliche Sichtbarmachung der weniger bekannten Frau von Chodowiecki als Namensgeberin der Jeanne-Barez-Schule kann als Erbe eines derartigen Emanzipationsbestrebens betrachtet werden. Die Fabel öffnet den Blick für die Situation der „Schwachen in der Gesellschaft“, für deren „Parteinahme“ sich die aufklärerischen Philanthropisten (Basedow) verantwortlich fühlten. Sie zeigt den Weg zu einer inneren Freiheit vom Urteil der anderen unter der Voraussetzung eines guten Selbstwertgefühls.
Während der Mensch die Nützlichkeit als obersten Maßstab für die Wichtigkeit eines Wesens setzt, stellt die Fabel durch weitere Werte wie Freundschaft, Gefährlichkeit, Besonderheit und Tüchtigkeit bestehende Hierarchien in Frage. Die Position jedes Wesens ist nur abhängig von der jeweiligen Situation und Perspektive. Eine endgültige Festlegung von Rängen ist hierdurch hinfällig.
„Kein Mensch hat von der Natur aus das Recht erhalten, andere Menschen zu befehligen.“ hieß es beim Zeitgenossen Denis Diderot ((1713 – 1784), französischer Philosoph der Aufklärung, Schriftsteller, Enzyklopädist, Literatur-  und Kunsttheoretiker).

 

 

 

 

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