ZWISCHEN RÄUMEN
In meinen Arbeiten erkunde ich die Spannung zwischen Zeigen und Verbergen – zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen. Ob in der Traumarbeit, der Malerei, im Stadtraum oder in skulpturalen Formen: Es entstehen Bilder und Objekte, die Identität, Verletzlichkeit, Beziehung und gemeinschaftliche Erinnerung auf sinnlich erfahrbare Weise verhandeln. Ich begreife meine Kunst als Arbeit auf Schwellen – zwischen Innenwelt und Außenblick, zwischen Sprache und Bild, zwischen Schutzraum und Sichtbarkeit, zwischen individueller Erfahrung und kollektiver Bedeutung.
Eine besonders intensive Auseinandersetzung mit inneren Prozessen zeigt sich in meiner aktuellen Traumarbeit, in der ich täglich persönliche Träume, die nachwirken, mit symbolhaften Tierporträts verbinde. So entsteht eine Brücke zwischen individueller Reflexion und kollektiver Bedeutung. Um diese umfangreiche und stetig wachsende Serie aus mehr als 1500 Papierarbeiten (DIN A4) und begleitenden Texten greifbar zu machen, veröffentliche ich derzeit das Buch Kartierung der Innenwelt in der Serie Campo beim textem-verlag in Hamburg. Die systematische Zuordnung von Träumen zu Tieren in ein Referenzsystem aus 28 Begriffsfeldern wird auf der begleitenden Website www.kartierung-der-innenwelt.de fortgesetzt.
Auch in meinen früheren Malereien und Installationen setze ich mich mit Übergangsorten und Grenzformen auseinander – etwa Treppenhäusern, Balkonen und Zäunen –, die das Spannungsfeld zwischen Einblick, Rückzug und Isolation im Freilegen und Überlagern von Schichten erfahrbar machen. Materielle Antworten auf diese Themen finden sich in skulpturalen Arbeiten wie der Serie (un)gated (2023), in der ich metallene Zaunstrukturen in weichen, schwarzen Schaumstoff übertrage. So entstehen hybride Objekte zwischen tragbarer Skulptur und Schutzkörper, die körperlich erlebbar machen, wie Schutz und Abgrenzung ineinandergreifen.
Viele meiner ortsbezogenen Projekte im öffentlichen Raum – etwa Namenwand, EINANDER oder UNTERTON – beziehen ihre Kraft aus der Interaktion mit den Menschen vor Ort. Durch Schrift, ornamentale Strukturen und räumliche Setzungen werden historische Spuren sichtbar, gemeinschaftliche Identität gestärkt und Begegnungssituationen bewusst inszeniert. Dabei spielt Sprache als visuelles und räumliches Element eine ebenso große Rolle wie das Spiel mit Material, Licht und Bewegung.
Ob in abstrakten Skulpturen wie (un)gated oder in narrativen Projekten wie der Traumarbeit – meine Arbeiten laden dazu ein, unsere Beziehungen zueinander immer wieder neu zu überdenken: Wann schützt eine Grenze, wann begrenzt sie? Wann ermöglicht Sichtbarkeit Nähe, und wann macht sie verletzlich?
Ina Geißler
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